Lauter schillernde Kostbarkeiten
Bereits seit 2003 lebt die Künstlerin in Deutschland. "Das macht mich freilich noch nicht zur waschechten Deutschen", beteuert sie, "aber eine richtige Koreanerin bin ich sicher auch nicht mehr." Viele der farbenfrohen und detailgenauen Arbeiten von Eunhui Lee spiegeln daher ihre aktuelle Lebenslage zwischen Fremdsein und einer punktuellen Übernahme deutscher Sitten und Gebräuche. Das veranschaulicht zum Beispiel die Bildkombination von asiatischen Ess-Stäbchen mit typisch hiesigen Speisen wie Laugenbreze, "Bauernseufzer", Nürnberger Bratwurst oder "Bamberger" Gebäck-Hörnchen. Nicht autobiografisch motivierte Sinnbilder einer kulturellen Melange sind die von der Malerin auf die fränkische Blumenwiese oder in den deutschen Märchenwald versetzten Zelte innerasiatischer oder nordamerikanischer Nomaden.
Als ein eher heiteres Beispiel für den Erfolg des europäischen Kulturimperialismus malte Eunhui Lee einen afrikanischen Fischer, zu dessen Arbeitskleidung ein pinkfarbener Zylinder-Hutgehört. Ähnliches hat die Künstlerin auf ihren Reisen in ferne Länder tatsächlich gesehen.
Dass die Begegnung mit Fremdartigem die künstlerische Fantasie generell zu beleben vermag, zeigen in der Ausstellung der Slow Art Galerie fast surrealistisch anmutende Bilder vom vorweihnachtlichen Schmücken eines hohen Föhren- Baumwipfels im fränkischen Steckerlaswald oder von jungen Männern, die in aufgeblasenen (!) Luftballons stecken. Alltägliche Mühe und Arbeit, welche weltweit die Basis aller Kultur bilden, symbolisiert im erstaunlichen malerischen Werk von Eunhui Lee die häufige Darstellung von Beförderung schwerer Lasten. Zeugnis des ungewöhnlich soliden kunsthistorischen Wissens der Künstlerin ist nicht nur eine witzige Bildminiatur, die den berühmten "Hasen" von Albrecht Dürer zitiert, sondern vor allem die originelle Verbindung von westlicher Ölmalerei und fernöstlicher Ästhetik.
Letztere zeigt sich in einem äußerst akkuraten Zeichenstil und in der zentralen Freistellung eines einzelnen, klar konturierten Motivs, dessen inhaltliche Bedeutung stets weit über das vordergründig Sichtbare hinausweist. In der Summe ergibt das in jeder Hinsicht schillernde Kostbarkeiten.
Kostbarkeiten, die dann letztlich doch wieder "echt koreanisch" anmuten. Diese Kunst der eleganten Linien, das offenbar immer sichere Gefühl für Ordnung und Ausgewogenheit sowie die Leuchtkraft der Farben erinnern an die auch in Europa berühmte Stillleben- und Genremalerei aus der Herrschaftszeit der koreanischen Yi-Dynastie im 18. Jahrhundert.
Nürnberger Nachrichten 7. August 2018
Bernd Zachow