Ulrich Fürneisen bevorzugt als Zeichner und Grafiker das große Werkformat, während er sich als Bildhauer des figuralen Kleinformats, der Reliefplastik und in einem Fall der symbolischen Denkmalsgestaltung bedient- sein gesamtes Werk zeigt eine stete Auseinandersetzung mit der sichtbar erscheinenden Wirklichkeit: die Natur in ihrer Erscheinungsform der Landschaft- sie ist dem Künstler Gegenüber und Modell - die Landschaft in ihrer unterschiedlichen jahreszeitlichen Erscheinungsform mit äußerster grafischer Meisterschaft vergegenwärtigt: die Sensibilität der Linie ist es, die mittels unterschiedlicher Verdichtungszonen eine magische Lichtregie erzeugt, die ihrerseits Raumschichtungen und damit Landschaftliches suggeriert; dieses Landschaftliche kann Behältnis für Psychisches werden, - denn hier scheint die introvertierte Psyche des Zeichners die ihrer Struktur entsprechende äußere landschaftliche Gegebenheit als Spiegelbild und Ausdrucksträger gefunden und gewählt zu haben - Fürneisen empfindet die Landschaft als ein beinahe personales Gegenüber, so geht es immer auch um das Portrait einer bestimmten Landschaft: eine fast franziskanische Naturspiritualität scheint den Blick zu bestimmen, jedoch mit einer Akzentuierung des Vergänglichkeitsaspektes - im Hinblick auf ein naturgegebenes „Stirb und Werde“ scheint Fürneisens porträtierende Aufmerksamkeit dem „Stirb“ in der Natur zu gelten - unterschwellig wird hier die in der öffentlichen Diskussion diskutierte „Naturgefährdung“ angesprochen, ohne zum eigentlichen Thema gemacht zu werden- alles in allem: ein Bildprotokoll einer Seelenbefindlichkeit und einer Naturbefindlichkeit - analog zum Goetheschen Begriff der „Erdlebebilder“ könnte man von „Erdsterbebildern“ sprechen - Fürneisens „Rheinsichten“ (ein häufiger Titel seiner Ausstellungen) werden hier zu Einsichten, Merkbilder der äußeren Form werden hier zu In- Bildern einer menschlichen Befindlichkeit - Ein solches Bildprotokoll im Alleingang über Jahrzehnte hin zu führen, stellt nicht nur eine künstlerische Leistung dar, sondern auch eine moralische.
Bert Gerresheim