Gretel Haas-Gerber gehört zu den herausragenden Künstlerpersönlichkeiten der Ortenau im 20. Jahrhundert. Sie zählte trotz der Einwände des Elternhauses von 1922-1925 zu den ersten weiblichen Studenten an der Kunstakademie in Karlsruhe und zeigte ein starkes Interesse an neuen Kunstströmungen wie der "Neuen Sachlichkeit", der sie sich verbunden fühlte. Im Mittelpunkt ihrer Werke stand seitdem der Mensch, die Landschaft und das Stillleben. Zu den wichtigen Werken der frühen Jahre zählen Arbeiten, die sich mit sozialem Bewusstsein der Welt der Kleinbauern und Landarbeiter nähern. Unter dem Motto "Schluss mit bolschewistischer Kunst" wurden auf der Offenburger Herbstmesse 1933 Bilder der Künstlerin von der Polizei beschlagnahmt. Nicht nur aus politischen, sondern auch aus privaten Gründen, nach ihrer Heirat und der Geburt von fünf Kindern, musste sich Gretel aus dem offiziellen Kunstleben zurückziehen.
In der langen Zeit bis zum Tod ihres Mannes im Jahre 1964 enstanden Zeichnungen und Gemälde im privaten Rahmen und zeigten häusliche Szenen, Urlaubseindrücke, Landschaften und Stillleben. Von 1969 bis 1974 unternahm die Künstlerin noch einmal das Wagnis eines Studiums an der Kunstakademie in Düsseldorf. In der Zeit der Studentenunruhen wurden die Werke politisch, sozialkritisch und zeichneten sich durch eine ironische Frische aus. Immer wieder jedoch thematisieren sich Erfahrungen der Schrecken des Krieges.
Die Auseinandersetzung mit den Opfern der Luftangriffe und der Soldatenwitwen dauerte bis in die neunziger Jahre an, oft unter neu durchdachten Vorzeichen, wie dem Palästinenserkonflikt oder dem Bosnienkrieg. Bis ins hohe Alter blieb der künstlerische Schaffensdrang ungebremst. Noch im fast vollständig erblindeten Zustand entstanden in den letzten Jahren eindringliche Selbstporträts in filigranen und stets subtilen Bleistiftlinien. In den Jahren vor ihrem Tod erfährt die Künstlerin in umfassenden Einzel- und Gruppenausstellungen die späte, ihrem Werk gebührende, Würdigung.
Quelle: Bernd Künzig, Bilder aus Baden, Katalog Kunstsammlung der Badischen Stahlwerke, Kehl 2002